In der strengen Formensprache der Konkreten Kunst hat Regine Bonke ihre Vision gefunden. Mit Boden- und Wandobjekten, mit Winkeln und Stelen, offenen und geschlossenen Kuben gestaltet sie Dialoge mit dem Raum. Ihre Formen und Formenreihungen beziehen sich auf universell gültige, geometrische Proportionen. Die Künstlerin trotzt so der Welt ein bißchen System ab und setzt dem alltäglichen Chaos Gradlinigkeit, Klarheit und kontemplative Harmonie entgegen. Dabei entstehen Kunsträume, die in der reduzierten Form und dem erhabenen Anspruch der Geometrie zu sakraler Anmutung gelangen können, indem die plastischen Körper in einer ruhigen Selbstverständlichkeit etwas jener verlorenen Stille wiedergeben, die die Gedanken reinigt.
Hajo Schiff in: „Die Lust der Vernunft“, Katalog, (Auszug)


Es ist eine Binsenweisheit: Der Begriff der ‚Wahrheit’, griechisch ‚aletheia’ bezeichnet in der Philosophie eine der zentralen Herausforderungen schlechthin. Geht es doch […] schlichtweg um die Enthülltheit des absoluten Grundes von Wirklichkeit. […]
Bereits Platon wies auf die von den Zahlen und geometrischen Formen ausgehende, ethisch hebende Wirkung hin. Indem Regine Bonke ihre Werke im Sinne von Max Bill als „Gegenstände für den geistigen Gebrauch“ bezeichnet, reiht sie sich nicht nur in eine aufregende, die Moderne schlichtweg entscheidend bestimmende Tradition ein, sondern sie fordert vom Betrachter einmal mehr auf elementare Weise, bedingungslos und ohne relativierenden Zwischenschritt eine kontemplative Aneignung von Wirklichkeit.
Dem riesigen, während der Ausstellung im Innenhof des Burgklosters zu Lübeck gezeigten blauen „Quadrat“ aus dem Jahre 2001 (s. unter "Arbeiten" Abb. 1) mag in diesem Zusammenhang paradigmatische Bedeutung zukommen. Es zeigt eine sich selbst genügende Form, die so platziert wurde, dass sie die vorgefundene Architektur nachgeordnet erscheinen lässt und alles körperlich Schwere und Lastende zu Gunsten einer sphärischen Entrücktheit überwindet, so als handele es sich um die Manifestierung einer Idee, in Relation zwischen sinnlicher Erscheinung und dessen innerem Wesen.
Was womöglich wie ein ästhetisch sich rasch erschöpfender Selbstzweck anmutet, beschreibt alsbald, jenseits des Abbildlichen, einen aufregenden, weil immer wieder neu begründbaren Akt vorurteilsloser, lebendiger Wirklichkeitserfahrung. Dazu geben Regine Bonkes Objekte und Installationen einen originär begründeten Anlass. Denn, so Hans Georg Gadamer, in seinen Vorlesungen über „Die Aktualität des Schönen“: „Das Kunstwerk bedeutet einen Zuwachs an Sein.“ Diesem begegnen wir in den gezeigten Werken auf eine wunderbar leichte, uneigennützige, begrifflich weithin ungebundene und daher elementare Weise.

Uwe Haupenthal, Richard Haizmann Museum
Auszug aus dem Vorwort zum Katalog „ALETHEIA – konkrete Papierobjekte“